oder Kuddelmuddel des Brauchtums?
Beim Lesen der Werbung für die Frühlingsfeuer bin ich ziemlich erschrocken. Hexenfeuer – das Feuer, dass die Hexen verbrennt? Oder das Lebens-Feuer der Hexen oder das Feuer, um das die Hexen tanzen? Welche Variante meinen die OrganisatorInnen?
An vielen Orten werden am 30.April die Maibäume gesetzt. Ist der Hintergrund dieses uralten Brauchtums im Bewußtsein?
Ein Text von Dipl.med. Karin Körner – Feministische Kulturreferentin (A.M.)
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Baum und Kranz sind vorchristliche Symbole für die heilige Hochzeit, die Verbindung von Lebens- und Liebeslust für Mutter Erde. Mit den Maifeuern verbrennen wir endgültig die Winterreste; sicht-bare Transformation und Auferstehung zu neuem Leben.
Die Werbung für die Feste erfolgt heute leider mit Bildern, bei denen viele Frauen die grauen-haften Hexenverbrennungen assoziieren…Ängste werden geweckt!
Wiederholen wir die Scheiterhaufen der frühen Neuzeit symbolisch? Wissen sie was sie tun?
Die echten Hexenverbrennungen wurden damals auch als Volksfest inszeniert: Unschuldige Menschen, überwiegend Frauen (ca.90%), aber auch Männer und Kinder wurden nach Folter, die sinnlose Geständnisse erzwangen und Denunziationsketten hervorriefen, wegen Hexerei zum Feuertod verurteilt. (Quelle: tausende Hexenprozessakten!) Die Gerichtskosten und das Holz für die Scheiterhaufen mussten die Familien der Opfer selbst zahlen.
In ca. dreihundert Jahren wurden hier in Mitteleuropa mehr als 1 Million Menschen als Hexen verbrannt.
Damit wurde das Wissen und die Kraft, vor allem der Frauen, bewußt vernichtet.
Sie waren als Hebammen und Heilerinnen tätig oder sorgten als Mütter für Leib und Seele ihrer Familien.
Inzwischen gibt es tiefgründige und komplexe Forschungsergebnisse zu diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit ihren Folgeerscheinungen, wie z.B. transgenerationale Traumata.
Was mache ich, was machen wir, nun ganz praktisch mit diesem Wissen, mit unserer Wut, mit Betroffenheit und Schmerz?
1) Miteinander darüber sprechen! Redet mit den VeranstalterInnen, um das Bewußtsein wieder zu wecken
für die nicht mehr erinnerten Verbrechen der Hexenverbrennungen. Denn auch symbolische
Hexenverbrennung ist eine Form von sexualisierter Gewalt! So wirkt patriarchale Ideologieherrschaft,
unbewußt!
2) Lebensfreundliche Ideen für die Gestaltung von Fest- und Brauchtumsinhalten entwickeln!
Mit wertschätzender Kommunikation die eigenen und die Bedürfnisse der Feiernden wahrnehmen: Das alte
Brauchtumswissen ist durch die Hexenverfolgung verloren gegangen. Wir müssen uns nun beim
Frühlingsfest neu erfinden, mitmenschlich, lustvoll und fröhlich. Kreative Praxis gibt es längst im Landkreis
– Frühlingsfeuer, Blütenfest, Maifeuer ect. – alles um den 1.Mai.
3) „Hexe“ darf sein! Was ist denn eigentlich eine Hexe?
Die Hexe war in alten Zeiten die „Hagazussa“, die Frau, die auf dem Zaun/der Grenze des Hags (Hag –
eingehegtes Grundstück/Hecke) sitzt und von dort aus in beide Welten, sowohl nach innen als auch nach
außen blicken kann. Daraus schöpft sie ihre Weisheit, indem sie beide Sichtweisen versteht und integriert.
Diese integrative Kraft von rationalem und emotional-außergewöhnlich-verstehenden („magischen“) Fähigkeiten war und ist es, was die Gestalt der Hexe zum (verunsichernden) Faszinosum macht; damals wie heute!
Lasst uns diese weibliche Kraft als Macht in uns und für alle Menschen zum Segen kultivieren!
Die lange Fassung des Textes mit noch genaueren Informationen und Quellenangaben finden sie hier:
Hier ist die Langversion des Textes als pdf zum Herunterladen
Literaturliste zum Text „Hexenfeuer“